Loudness War – Krieg der Lautstärken

Unbeachtet von Vielen, hat sich in der jüngeren Vergangenheit ein neuer Trend beim Abmischen von Musik eingeschlichen, der als Loudness War bezeichnet wird.

Wozu? Wenn viel Musik nacheinander gespielt wird, soll möglichst die eigene hervorstechen. Das gilt für normale Musik genauso wie für Werbung. Um das zu erreichen, wird ganz einfach die Lautstärke erhöht. Natürlich hat kann die Musik nicht von sich aus den Lautstärkeregler steuern,  aber man kann die Musik so aufnehmen bzw. abspeichern, dass ein möglichst lauter Eindruck entsteht.

Wie geht das? Bei jeglicher digitalen Musik, ob Audio CD oder MP3, wird die Amplitude des Tons als Zahl ausgedrückt. Eine CD z.B. speichert diese als Zahlen als 16 Bit (2 Bytes), also Zahlen zwischen -32768 und +32768 ab. Als Kurve dargestellt ergibt sich dann z.B. so ein Bild:

loudness1

Um alles lauter zu machen, werden alle Zahlen mit einem Faktor multipliziert.

loudness2

Wass passiert nun aber mit den Zahlen, die bereits am Anschlag, also bei 32768 waren? Da die CD keine größeren Zahlen als 32768 im Datenstrom der Musik speichern kann, bleibt nichts weiter übrig, als dafür ebenfalls 32768 einzutragen. Das nennt man “Clipping”, es wird Information weggeschnitten. Da jeweils nur kurze Passagen sehr laut sind (z.B. der Anschlag einer Snare Drum), erscheint das vernachlässigbar. Dennoch verändert sich der Ton, und Musikfreunde mit feinerem Gehör stellen erste Auffälligkeiten fest.

loudness3

Im nächsten Schritt kann man generell versuchen, die leisen Passagen noch lauter zum machen und die lauten Passagen leiser zu lassen. Dadurch verändert sich der Klang noch einmal. Ein Musikproduzent lieferte ein anschauliches Bild für das Ergebnis: Es klingt, wie wenn eine Band mit voller Lautstärke hinter einer Schaufensterscheibe spielt.

Und die Fans? Die Musikfans haben sich damit nicht arrangieren können. Als 2008 das Metallica Album “Death Magnetic” erschien, das als eines der lautesten Alben überhaupt gilt, wurde eine Petition gestartet, um zu erreichen, dass es nochmal neu abgemischt wird.

Und heute? Generell gilt der Loudness War als überwunden, zumindest was die Musik betrifft. Bei der Werbung gilt allerdings: Weiter aufdrehen wie bisher.  Und so kommt es, dass ein Film im Fernsehen vielleicht gerade an einer leisen Stelle unterbrochen wird, und dann die Werbung mit der maximalen Lautstärke jäh die Atmosphäre zerstört.

 


Mehr zum Tema: Youtube, Wikipedia

2 Gedanken zu „Loudness War – Krieg der Lautstärken

  1. Tatsächlich kann man das Loudness Problem zumindest im TV-Broadcast-Bereich als gelöst betrachten. 2010 hat die EBU (European Broadcasting Union) die Empfehlung EBU R128 veröffentlicht (basierend auf der ITU-R BS.1770), der sich inzwischen viele europäischen Rundfunkanbieter freiwillig angeschlossen haben – selbst die deutschen privaten. In den USA ist die entsprechende ATSC A/85 bereits Gesetz mit dem (für die amerikanischen Rechsprechung typischen Vorliebe für Backronyme) so genannten CALM Act.

    Die EBU R128 regelt zwei wichtige Dinge:

    Einerseits wird eine Masseinheit für Lautheit definiert. Im Unterschied zur Lautstärke, welche die zum aktuellen Zeitpunkt bestehende Amplitude angibt, wird bei der Lautheit ein Zeifaktor mit aufgenommen. Auf diese Weise werden die Hörgewohnheiten des menschlichen Ohrs besser abgebilded: So werden z.b. kurze Laustärkespitzen als nicht so laut wahgenommen wie ein permanent hoher Geräuschpegel. Die Masseinheit wird LU (Loudness Unit) genannt, 1 LU entspricht 1 dB. Davon abgeleitet werden einige weitere Einheiten definiert. Wichtig hier: LUFS (Loudness Units relative to Full Scale), d.h. die LU relativ zu digitalem Vollpegel (meisst 0dB).

    Zudem wird ein Zielpegel definiert. Dieser liegt bei -23 LUFS ± 1 LU. D.h. alles, was gesended wird, darf mit etwas Spielraum maximal -23 LUFS laut sein. Und hier verbirgt sich die Lösung des Loudness-Problems. Zunächst wird vor der Ausstrahlung für die Gesamtheit des ausgetrahlten Einheit (Werbe-Spot, Beitrag, etc.) die Lautheit in LU gemessen. Ist dieser lauter als der Zielpegel, wird die Differenz bei der Ausstrahlung abgezogen, d.h. leiser gemacht.

    Bespiel: Ein sehr laut produzierter Werbespot hat 15 LU. Beim Senden wird dieser nun um 7 dB leiser ausgestrahlt, um den Zielpegel von -23 LUFS zu erreichen. Damit verpufft die laute Produktion, der Qualitätsverlust (Clipping, geringe Dynamik) bleibt allerdings erhalten.

    Somit gibt es für die Werbeindustrie keinen Anreiz mehr, Spots möglichst laut zu machen. Stattdessen dürfte es in Zukunft mehr dynamische und gut klingende Spots geben.

    Eine vergleichbare Entwicklung setzt auch bei Consumer-Geräten ein. Apple als Trendsetter hat diesen Schritt bereits vollzogen, mit einer (natürlich) eigenen Technologie namens “Sound Check“. (Auch wenn das Verfahren bei genauerer Betrachtung deutliche Parallelen zu dem inzwischen über 10 Jahre alten “Replay Gain” aufweist.)

    Für einen Demonstration, welchen Effekt die EBU R128 für den Musikgenuss hat, hier das sehr guten Video von Ian Shepherd zu diesem Thema: Youtube

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.