Der mit Abstand erfolgreichste Podcast der letzten Zeit ist die amerikanische Serie “Serial”, zumindest wenn es nach der Statistik von Apple geht: Über 5 Millionen Menschen haben die 12 Folgen heruntergeladen, eine ungewöhnlich hohe Zahl für einen Podcast.
Es geht um einen echten Mordfall: Am 13. Januar 1999 verschwand die 18jährige Hae Min Lee, eine Schülerin der Woodlawn High School in Baltimore, Maryland. Einen Monat später wurde ihr Leichnam in einem Park gefunden. Ihr 17jähriger Exfreund, Adnan Syed, wurde verurteilt und zu einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe verurteilt. Das Urteil stützte sich hauptsächlich auf die Aussage von Jay, eine Freund von Adnan, der ausgesagt hat, Adnan hätte den Mord begangen und ihn danach angerufen, und gemeinsam hätten sie die Leiche begraben. Adnan selbst bestreitet das bis heute und beteuert seine Unschuld. Viele, die Adnan kannten, zweifeln an seiner Schuld.
Ein Jahr lang haben die Journalistinnen Sarah Koenig, Julie Snyder und Dana Chivvis recherchiert und das Material zu dem Fall gesichtet. Sie haben mit Zeugen gesprochen, haben den Fundort des Opfers besichtigt, mit Ermittlern des Falles sowie Experten gesprochen und versucht, sich ein eigenes Bild zu machen. Sarah Koenig hat auch Adnan selbst mehrfach interviewt. Und immer bleibt die Frage: War er es oder war er es nicht?
In jeder Folge erfährt man ein etwas mehr über den Fall und die Hintergründe. Adnans Eltern sind Muslime und aus Pakistan eingewandert. Sie erwarten von ihren Kindern, dass sie anständig aufwachsen. Das bedeutet Mitarbeit in der Glaubensgemeinde und Abstand zu Mädchen. Aber wie die meisten Teenager in seinem Umfeld spielt Adnan zu Hause den braven Sohn, aber trifft sich heimlich doch mit Mädchen oder raucht mit Freunden Gras. Adnan hat eine feste Freundin, Hae (gesprochen: Hej). Aber sie trennt sich im November 1998 von ihm und kommt mit einem anderen, älteren Jungen zusammen. Die neue Beziehung geht nur wenige Wochen, bevor Hae am 13. Januar 1999 verschwindet. Wir erfahren etwas über die Suche nach ihr und die merkwürdigen Umstände, die zum Fund der Leiche geführt haben. Nun steht fest: Es war Mord. Hae ist erwürgt worden. Adnan rückt schnell in den Kreis der Verdächtigen, nachdem die Polizei in Erfahrung bringt, dass das Opfer die Beziehung zu ihm beendet hat. Sein Motiv: Er ist der frustrierte Geliebte, der sich an ihr gerächt hat.
Über True Crime zu berichten ist an sich nichts neues. Truman Capote hatte schon 1965 in seinem Buch “In Cold Blood” (auf deutsch “Kaltblütig”) mit der journalistischen Aufarbeitung eines wahren Verbrechens großes Interesse geweckt. Das besondere am Serial-Podcast ist jedoch, dass man als Zuhörer das Gefühl hat, Sarah Koenig und ihren Kolleginnen über die Schulter schauen zu können. Man erfährt viel über die Recherche und die Schwierigkeiten, die damit verbunden sind. Es ist sehr schwer für Zeugen, sich an lange zurückliegende Ereignisse zu erinnern. Wer weiß schon, was für sechs Wochen an einem bestimmten Tag passiert ist, wenn man zu dem Zeitpunkt noch gar nicht weiß, dass es ein besonderer Tag war? Die Journalistinnen teilen ihre Überlegungen und Bedenken, sie versuchen zu ergründen, ob ein bestimmter Umstand für oder gegen die Schuld von Adnan spricht. Welche möglichen Erklärungen kann es für einen bestimmten Telefonanruf geben? Kann es sein, dass etwas Unwahrscheinliches an genau diesem Tag passiert ist?
Die Folgen des Podcasts liefen von Oktober bis Dezember 2014 und waren nicht fertig vorproduziert und wurden dann ausgestrahlt (bzw. ins Netz gestellt) sondern wurden Woche für Woche aufgenommen. Durch den Erfolg der Serie und die daraus entstehende Aufmerksamkeit kam es dazu, dass sich während der Serie noch Zeugen gemeldet haben, auf die Sarah Koenig auch eingeht. Man erwartet ein großes Finale, vielleicht den einen Zeugen, der gesehen hat, was wirklich passiert ist. Aber den gibt es nicht. Die Frage, ob Adnan den Mord wirklich begangen hat oder nicht, kann nicht geklärt werden. Koenig kommt aber doch zu dem Schluss, dass, selbst wenn Adnan die Tat begangen haben sollte, im Zweifelsfall für den Angeklagten hätte entschieden werden müssen.
Es ist schon etwas erstaunlich, dass der Podcast so erfolgreich ist. Es ist eben keine Sendung, die man mal so nebenher hören kann. Denn wer dem Fall folgen will, muss sich schon sehr konzentrieren. Aber wer sich aber darauf einlässt, wird gefesselt werden.
Quellen: Serial Podcast, Spiegel-Bericht über Serial, Washington Post, the New Yorker
Ein Gedanke zu „Serial – Podcast über ein wahres Verbrechen“